Januar: Visionen und der WDR
Hallo, hier schreiben Johannes Klingebiel und Dirk von Gehlen aus dem Innovationsteam der SZ. Dieser Newsletter ist eine Sammlung von Gedanken und Themen, die uns derzeit beschäftigen.
Bei Fragen, Ideen oder Lust auf einen gemeinsamen virtuellen Kaffee, einfach antworten! ✌🏻
Interview: Dennis Horn (WDR)
Wir wollen versuchen in 2021 ein wenig mehr unseren Horizont zu erweitern und mit anderen Innovationsteams über deren Erfahrungen und Herangehensweisen sprechen. Es wird über die nächsten Monate also einige Interviews und den ein oder anderen kurzen Text zu dem Thema geben.
Dennis Horn ist Mitbegründer des neuen WDR Innovation Hub, der sein Büro nicht weit vom Set der früheren Lindenstraße in Bocklemünd aufgeschlagen hat. Dennis moderiert nicht nur mehrere Podcasts, sondern ist auch einer der bestinformierten Digitalexperten vom Dienst der ARD.
Was ist eure Definition von Innovation?
Wir blicken mit dem WDR Innovation Hub auf das, was in zwei bis fünf Jahren für ein Medienhaus wie den Westdeutschen Rundfunk ein Ding sein könnte. Unser Ansatz ist: Das Übermorgen verstehen, um morgen relevant zu bleiben. Dafür betreiben wir Trendforschung, und für uns ist Innovation das, was wir im Rahmen dieser Trends an Neuerungen und Veränderungen schaffen können.
Wie würdest du die Beziehung zwischen eurem Team und eurer Mutterorganisation beschreiben?
Wir sind mit dem Innovation Hub direkt beim Intendanten angesiedelt. Das liegt daran, dass Innovation ein zentrales Strategiethema ist, aber auch daran, dass wir Innovation nicht nur auf die Redaktionen und ihre Formate oder digitalen Produkte beziehen. Unsere Arbeit betrifft auch die Technik, die Verwaltung, die Produktion. Wir nehmen aber in der Zusammenarbeit mit allen Redaktionen und Bereichen im Haus eine große Offenheit wahr.
Was sind eure Ziele? Was wird von euch erwartet?
Wir sind nicht der Bereich, der den WDR im Alleingang rettet. Wir liefern dem Haus, den Redaktionen, den Einheiten im WDR Antworten auf ihre Zukunftsfragen. Wir bauen ein Netzwerk auf, das den WDR mit Forschungseinrichtungen, Start-ups, anderen Organisationen und Expert*innen verbindet. Und wir entwickeln Prototypen, schreiben Trendreports oder starten Studien. Mit diesen Ansätzen möchten den Innovationsgedanken im Haus stärken.
Wie groß ist euer Team und und welche Rollen haben die Mitglieder?
Zum Innovation Hub gehören Lisa Zauner, Christina Schamp, Philipp Sevenich, Vanessa Beule, Alex Nieschwietz und ich. Lisa und Alex sind journalistisch geprägt, waren zuletzt aber im Projektmanagement für den digitalen Wandel im WDR tätig. Christina hat sich vorher mit WDR-Anwendungen für Sprachassistenten beschäftigt, Philipp war in unserer Verwaltung mit KI-Themen beschäftigt, Vanessa kam über die Medienforschung zu uns ins Team. Wir arbeiten ohne Hierarchie und verstehen uns alle als Innovation Manager, ein paar Rollen haben wir aber so verteilt, dass sie mit den Vorerfahrungen und Fachgebieten matchen, zum Beispiel, was unsere Budgetplanung oder unsere Kommunikation angeht.
Mit welchen Schwierigkeiten habt ihr am meisten im Alltag zu kämpfen und wie meistert er diese?
Ich nehme keine großen Schwierigkeiten wahr, wie gesagt: Wir spüren eine große Offenheit. Aber natürlich gibt es Herausforderungen. Wir mussten einen komplett neuen Bereich aufbauen, inklusive aller Strukturen und Prozesse - und das in einer Pandemie und in einem Team, das sich vorher zum Teil auch gar nicht kannte. Und ansonsten besteht die Herausforderung in der, die viele digitale Teams auch in anderen Medienhäusern und Unternehmen umtreibt: in linearen oder analog geprägten Systemen das digitale Denken zu stärken.
Was motiviert dich am meisten in deinem Job?
Ich würde lügen, würde ich sagen, dass nicht auch der Frust der Vergangenheit eine Rolle spielt — und nach Jahren der Diskussion über die digitale Transformation noch nicht ein Stück weiter in der Entwicklung zu sein. Aber aktuell motiviert mich viel mehr, wie sehr das Thema im WDR angenommen wird und mit welcher Energie viele Kolleg*innen an allen möglichen Stellen im Haus an Innovationsthemen arbeiten. Das macht unsere Arbeit noch schöner.
Wenn du in der Zeit zurückreisen könntest: Welches Buch hättest du gerne an deinem ersten Arbeitstag auf dem Schreibtisch gehabt?
Wenn es um den ersten Arbeitstag im Innovation Hub geht: “Reinventing Organizations” von Frederic Laloux. Er schreibt darin von Unternehmen und Organisationen, die nach dem Prinzip der Selbstführung arbeiten. Ich war überrascht davon, wie viele Aspekte daraus wir im Innovation Hub schon heute leben. Ich habe daraus aber auch viel Inspiration für die nächsten möglichen Schritte gewonnen.
Auf dem (virtuellen) Schreibtisch
Zusammen mit Christian Simon vom Media Lab Bayern haben wir in 2019 das “Futures of Media Tarot” geschrieben, um Zukunftsszenarien jenseits der üblichen Visionen entwickeln zu können.
Weil ich etwas Zeit an der Hand hatte, habe ich eine erweiterte digitale Version geschrieben, die auf Knopfdruck Ansatzpunkte für internationale Medien Zukünfte entwickelt. Viel Spaß!
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Tracksmith — Ich bin zugegeben ein absoluter Laufmuffel, ganz im Kontrast zu meinem Kollegen Dirk. Aber mit dem Minuthenmarathon als Newsletter-Projekt und weil wir immer auf der Suche nach Inspiration sind, ist Tracksmith mehr als spannend. Die Marke positioniert seine Laufaustattung bewusst als Kontrast zu Nike, investiert viel Energie in die eigene Community und produziert ein eigenes Magazin. 🏃🏻♂️💨
Creator Economy —Die Idee über Substack, Patreon & Co. Geld zu verdienen, lässt auch Journalist:innen-Herzen höher schlagen. Ein Blick auf die Zahlen ist jedoch schnell ernüchternd: “On Patreon, only 2% of creators made the federal minimum wage of $1,160 per month in 2017.” Nur wenige Köpfe verdienen tatsächlich viel, es fehlt (noch immer) eine Mittelschicht. 💸
Fellowships as a service — Fellowships sind im Journalismus ein kaum genutztes Werkzeug und deswegen einen Gedanken wert. (Erwähnenswerte Ausnahme ist das R&D-Fellowship des Media Lab Bayerns) 🔎
Clubhouse— Reden wir noch kurz über das neue exklusive Netzwerk im Raum: Clubhouse. Es ist wieder einmal ein spannendes Beispiel dafür, wie gut Hype durch Verknappung erzeugt werden kann. Trotz aller Neuheit, hat das Netzwerk aber einige große Probleme: fehlende Diversivität, ein Elitendenken und eine nicht existente Moderation. (Dirk wird am Freitag trotzdem einmal probieren seinen Podcast über Clubhouse aufzunehmen.)